DIE ZEELANDISCHE KAPERFAHRT
1654-1662
Ubi mei, ibi fel
von Franz Binder
Die "kaapvaart"1, "cruijsserije", "commissievaart" oder "vrije nering"
wie sie sonst noch genannt wurde, wurde im Laufe des achtzigjahrigen
Krieges gegen den Erbfeind Spanien zu einem für Zeeland kennzeich-
nenden Erwerbszweig, in dem sich besonders die beiden Stadte Vlis-
singen und Middelburg - und mit Abstand - Veere hervortaten.
Die zeelandischen Kaper, bei Freund und Feind gleichermassen ge-
fiirchtet und beriichtigt, von den Landsleuten - besonders von den
Hollandern oft nicht ohne abfalligen Beigeschmack - u.a. "avontu
riers" oder "zeeschuijmers" genannt, waren ein für Spanier und Portu-
giesen schwer zu fassender Gegner und eine sprichwörtliche Plage: Die
"pechelingues", eine Verballhornung, abgeleitet vom Kaperhafen
Vlissingen - die Portugiesen nannten sie einfach "ladröes" (Rauber)2
- lauerten auf allen Schiffahrtslinien des iberischen Grossreiches, vor
allem auf denen zur Neuen Welt. Zeeland steilte in der Kaperei alle
drei anderen Seeprovinzen (Holland, Friesland und Groningen) in den
Schatten und "Zeelander" waren fiir viele Leute gleichbedeutend mit
"Kaper" oder gar "Piraten" und das beileibe nicht nur ausserhalb der
Vereinigten Provinzen.
Im Jahr 1621, nach Ablauf des zwölfjahrigen Waffenstillstandes mit
Spanien, brach für die zeelandische Kaperfahrt eine wahrhaft "Gouden
Eeuw" (goldene Zeit) an, von der uns Jan de Laet stolz berichtet, dass
bis 1636 nicht weniger als 547 Schiffe, vorwiegend Einzelfahrer im
Brasilienhandel3, erbeutet worden sind, welche wohl betrachtlichen
Gewinn abgeworfen haben müssen: Allein in Vlissingen fanden zwis-
chen 1630 und 1652 vierzig grosse, 22 mittelgrosse und 45 kleinere,
vom dortigen "vendumeester" geleitete Versteigerungen der aufge-
brachten Schiffe und Ladungen statt4.
Der erfolgreiche Aufstand der Portugiesen gegen ihre Nachbarn im
Dezember 1640 und der kurz darauf folgende Waffenstillstand zwis-
chen ersteren und den Vereinigten Provinzen, brachte in der Kaperei
eine Flaute mit sich, da Spanien seine Seeverbindungen zu Westindien
durch sein Geleitzugssystem viel besser abgesichert hatte als sein ehe-
maliger lusitanischer Waffenbruder, der zur See so schwere Verluste
hatte hinnehmen müssen5.
Es gab jedoch für die zeelandischen Kaper noch eine andere, hartere,
undankbare, wenn auch wichtige Aufgabe und Verdienstmöglichkeit,
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